Klärschlammvererdung – was ist das eigentlich?

Schilf im Frühling, Foto wikipedia

Bei der Jahreshauptversammlung der Freien Wähler Biebertal Mitte August wurde das Thema Klärschlammvererdung angerissen. Laut Inge Mohr, der neuen Vorsitzenden und Nachfolgerin von Ingo Pfaff, gäbe es in der FWG-Fraktion noch viel Klärungsbedarf über den beabsichtigten Bau im Feld Richtung Kinzenbach.

Die Klärschlammvererdung bietet sich als eine von mehreren Lösungen an, die festen Stoffe zu entsorgen. Wie geschieht das?

Für die Vererdung braucht man Schilfbeete. Diese „Beete“, meist sind es größere Felder, werden als Becken angelegt und mit Folie ausgekleidet. Daher kann kein Wasser in die Umgebung abfließen. Die Becken sind von einem ca. 1m hohen Wall umgeben. Die Wasser zuführenden, gelochten Rohre werden kammartig ausgelegt. Dazwischen wird das Schilfrohr gepflanzt. Das Schilf entzieht dem vorgeklärten Abwasser das Wasser. Die festen Bestandteile, die im Schilf zurückbleiben, werden von Mikroorganismen weiter abgebaut. Dabei verändern sie sich in ihren Eigenschaften so stark, dass eine saubere Erde mit hohem Humusanteil zurückbleibt. Diese Erde könnte als Pflanzsubstrat im Garten- und Landschaftsbau und bei Deponiekultivierungen eingesetzt werden. Damit würde sie in den Stoffkreislauf zurückgeführt und nicht einfach verbrannt – wie oft üblich. Man könnte diese Erde auch zur Kompostanlage bringen oder für die Biogasgewinnung nutzen. *)

Nach einigen Jahren wird das Schilfbeet oberflächlich abgeräumt und der Inhalt einer weiteren Verwertung zugeführt. Die im Boden verbleibenden Wurzeln treiben aus und sind wieder für etliche Jahre zur Vererdung bereit.

Großes Becken der Biebertaler Kläranlage, Foto Eveline Renell

Die Klärschlammvererdung ist der letzte Schritt. Vorher wird unser Abwasser in der dorfeigenen Kläranlage geklärt. Dabei fallen viele feste Stoffe an, und das sind nicht nur Kot und Toilettenpapier. Überlegen Sie selber, was Sie alles in die Toilette oder in die Küchenspüle entsorgen – und damit die Kläranlage stark beanspruchen. Zurzeit sind das nach Aussage von Herrn Christopher Weicker, dem Leiter der Biebertaler Kläranlage, 650t pro Jahr angetrocknete (75% Wassergehalt) feste Bestandteile. Sie werden per Transporter nach Frankenthal/Pfalz zur BASF gebracht, wo man sie mit Hochofen-Schlacke mischt und verbrennt. Aus der Asche wird Phosphat zurückgewonnen, das in die Düngemittelprodktion von BASF geht. Für die Lieferung nach Frankenthal bezahlt die Gemeinde über 100000 € pro Jahr.
Vor der Einleitung in die Schilfbeete sollten Mikroschadstoffe entfernt werden. Das sind z.B.   Rückstände von Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln oder Pflegeprodukten. Das geschieht durch Aktivkohle und mittels Ozonanlagen.

Die Vorteile der Vererdungsanlage:
– Geringer Energieaufwand
– Natürliche Stoffumsetzung
– Fläche sieht ähnlich aus wie ein Getreideacker
– Kein Chemieeinsatz erforderlich
– Humusähnliches Endprodukt
– Kein Gestank

Nachteile der Vererdungsanlage:

Flächenbedarf ca. 1² pro Einwohner, das wäre für Biebertal etwa 1ha (das Gemeindegebiet ist knapp 440ha groß). Wegen des Flächenbedarfs wird diese Art der Entsorgung für Gemeinden zwischen 7000 und maximal 30.000 Einwohnern empfohlen.

Konzentration von Schwermetallen. Auf Grund dessen wird beim Abräumen weiterhin die Verbrennung favorisiert. Die anfallende Menge ist aber um Vielfaches kleiner als bisher.

*) „Früher wurden die Klärschlämme doch einfach auf die Felder ausgebracht, da sie eine hohe Düngewirkung haben. Warum heute nicht mehr?“

Dazu schreibt das Bundesumweltamt: Da der Klärschlamm neben wertvollen Bestandteilen jedoch auch eine unüberschaubare Anzahl umwelt- und gesundheitsgefährdender Schadstoffe enthält, dessen Risiken nicht abzuschätzen sind, soll die direkte landwirtschaftliche Klärschlammausbringung laut aktuellem Koalitionsvertrag (vom 27. November 2013) in Zukunft weitestgehend eingestellt werden.

Neben Nährstoffen enthalten Kompost und vor allem Klärschlämme auch Anteile an anorganischen Schadstoffen: toxische Schwermetalle wie zum Beispiel Blei, Quecksilber, Cadmium, Kupfer sowie organische Schad- und Fremdstoffe wie Dioxine, Polychlorierte Biphenyle (PCB), Perfluorierte Tenside (PFT), Arzneimittelrückstände, Krankheitserreger, aber auch Nanopartikel, Mikroplastik und vieles mehr. 

https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/kompost-klaerschlamm#einfuhrung

Wir sind Ende September zu Besuch in der Biebertaler Kläranlage. Das bedeutet, dass diesem Artikel weitere folgen werden: „Die im Dunkeln sieht man nicht…..“

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