Blühstreifen und Hessen Mobil

Die ersten Kosmeen sind wieder auferstanden (alle Fotos vom 19. Oktober 2023, Renell)

Vor einigen Wochen wurde ein in der Nähe des Familienbades gepflegter und üppig blühender Straßenrand in der Bieberstraße Opfer von Pflegemaßnahmen. In der Biebertaler Bevölkerung hat dies zu soviel Missmut geführt, dass unsere Bürgermeisterin Patricia Ortmann bei Hessen Mobil angefragt hat. Nach dem, was sie danach in den Biebertaler Nachrichten schrieb, wurde ihr dabei gesagt,
„dass man keine Rücksicht auf schön oder nicht schön nehmen könne“.

Wir finden, dies ist ein sehr „schnodderiger“ Ton und haben daraufhin die Homepage von Hessen Mobil durchsucht. Unter dem Thema “ Im Einsatz für den Naturschutz“  wird im Rahmen einer Themenwoche im April 23 in Marburg auch die Anlage von Blühstreifen durch Hessen Mobil hervorgehoben. Das passt doch irgendwie nicht zusammen, oder?
Ich rief deshalb bei Hessen Mobil an und bekam einen sehr netten Mitarbeiter an die Strippe, der das ähnlich sah.
Aber vor der Veröffentlichung steht immer erst die „Absegnung“ durch Vorgesetzte. Aus der sehr langen, sehr formellen Antwort-Mail zitiere ich das Wesentliche (kompletter Text siehe unten*)

So leicht lassen sich die Blumen nicht unterkriegen


Die Flächen entlang der hessischen Straßen werden in Bereiche mit
intensiver und extensiver Pflege eingeteilt.

Beim Intensivbereich handelt es sich um jene Rasenflächen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit oder des Wasserabflusses niedrig und dicht zu halten und daher regelmäßiger und häufiger zu mähen sind. Hierzu zählen insbesondere die Rasenflächen auf unbefestigten Seitenstreifen (Bankette), Trennstreifen, Mittelstreifen und Sichtflächen sowie Gräben und Mulden. << >>
Der angesprochene Bereich in Biebertal ist Teil der Bankette und somit auch des Intensivbereichs.

Vieles kann im Spätherbst und in einem milden Winter noch blühen – oder nächstes Jahr

Diese Pflanze heißt Natternkopf (Echium vulgare). Sie wird ab Juli blühen und Unmengen Insekten anziehen, toll!

Um es verkürzt zu sagen: Bevor Sie auf die Idee kommen, Ihr Dorf durch Blumen zu verschönern, müssen Sie wohl erst mal genau schauen, welche Art von STREIFEN Sie da einsäen wollen. Und nach Auffassung von Hessen Mobil ist es da unerheblich, ob hinter dem Streifen überhaupt Verkehr kommt – was am Schwimmbad gar nicht der Fall ist.
Dagegen mussten wir an der Ausfahrt Marschallstraße – Rodheimer Straße im letzten Sommer über vier Wochen warten, bis die tatsächlich die Sicht behindernden Gräser und Zwergholunder abgemäht wurden.

*)Sehr geehrte Frau Renell,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Mähen von Straßenrändern.

Hessen Mobil gestaltet und betreut Bundes-, Landes- und Kreisstraßen im
Landkreis Marburg-Biedenkopf. Unsere originäre gesetzliche Aufgabe ist es
dabei, das uns übertragene Straßennetz in einem verkehrssicheren Zustand zu
unterhalten. Dazu gehört auch das Mähen der direkt anliegenden Flächen,
beispielsweise um Sichtachsen zu wahren und Verbuschung zu vermeiden sowie
nicht standfeste Gewächse am Straßenrand zu entfernen.

Die Flächen entlang der hessischen Straßen werden in Bereiche mit
intensiver und extensiver Pflege eingeteilt.
Beim Intensivbereich handelt es sich um jene Rasenflächen, die aus Gründen
der Verkehrssicherheit oder des Wasserabflusses niedrig und dicht zu halten
und daher regelmäßiger und häufiger zu mähen sind. Hierzu zählen
insbesondere die Rasenflächen auf unbefestigten Seitenstreifen (Bankette),
Trennstreifen, Mittelstreifen und Sichtflächen sowie Gräben und Mulden. Für
den Intensivbereich hat die Verkehrssicherheit absolute Priorität. Im
Intensivbereich wird in der Regel zweimal im Jahr gemäht, um die Sicht auf
Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmende freizuhaltenund die Funktion
der Entwässerung dauerhaft zu gewährleisten. Der Pflegeturnus ergibt sich
im Intensivbereich aus den Anforderungen und der Wahrung der
Verkehrssicherheit – im zugleich schonenden Umgang mit der Natur. Der
angesprochene Bereich in Biebertal ist Teil der Bankette und somit auch des
Intensivbereichs.
Alle anderen Rasenflächen auf Böschungen, Innenflächen von Anschlussstellen
sowie Ausgleichsflächen sind dem Extensivbereich zuzuordnen. Der
Extensivbereich wird aus artenschutzrechtlichen Gründen nur alle ein bis
zwei Jahre gemäht, um eine Verbuschung zu verhindern. Mit dieser
Vorgehensweise hält sich die Straßenmeisterei an das im Straßenbereich
geltende Regelwerk und die internen Regelungen zu Artenschutz und
Grünpflege.

Auch Hessen Mobil ist die Sicherung und Erhöhung der Biodiversität sehr
wichtig, wobei das Thema Blühflächen an Straßen zudem Bestandteil des
Koalitionsvertrages in Hessen ist.
Biodiversität und Artenschutz besitzen bei der Pflege des
Straßenbegleitgrüns einen hohen Stellenwert. So wird der Extensivbereich
erst im Spätsommer bis Herbst alle ein bis zwei Jahre gemäht. Dadurch
können Pflanzen ausblühen, sich vermehren und eine Nahrungsgrundlage für
Insekten bilden. Zusätzlich liegt dieser Mähzeitraum außerhalb der
Fortpflanzungszeiten von z. B. Vögeln, Amphibien, Reptilien und
Schmetterlingen.

Weitere Informationen zum Jahreszyklus Gehölzpflege bei Hessen Mobil können
Sie auch unserer Homepage unter
https://mobil.hessen.de/Strassenbetrieb/Gehoelzpflegearbeiten/Jahreszyklus-der-Gehoelzpflegearbeiten
 finden.

Für grundsätzliche regionale Angelegenheiten stehen auch wir im
Regionalbüro Westhessen Ihnen gerne als erste Ansprechstelle für Anfragen,
die Hessen Mobil betreffen, zur Verfügung und vermitteln bei Bedarf
Ansprechpartner/innen aus den einzelnen Dezernaten.

Flächenverbrauch: Bauen wir so wie schon immer? Oder ab jetzt mal anders?

Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann

Blick vom Hainweg in Krofdorf auf Biebertaler Industriegebiet

Zugegeben, es gibt in Industriegebieten schlimmere Anblicke als diesen. Und wenn man aus der Nähe guckt, hat zumindest die Firma Orion ihr Außengelände ansprechend gestaltet. Da wäre allerdings noch mehr drin. Intuitive Surgical könnte an die nach Krofdorf gerichtete Seite Bäume pflanzen. Bei Inwerk wurden einige Obstbäume gepflanzt. Was soll noch folgen? Die Fläche ist so groß und leer.

Was mich ärgert: Bebauung ohne Berücksichtigung einer gewissen Landschaftsästhetik. Lernen das die Architekten nicht? Vertikale und horizontale Flächen durch großflächige Pflasterung oder ohne Schutz durch Bäume, die im Sommer aufgeheizt werden. Immer noch die „billige“ Thuja- oder Kirschlorbeerhecke pflanzen, weil keiner sagt, wie viel Schneidearbeit damit verbunden ist. Wer Gartenarbeit nicht mag, sollte von diesen Pflanzen die Finger lassen.

Ich wende mich nicht grundsätzlich gegen Bebauung. Manche Ackerfläche oder dreischürige*) Wiese protzt auch nicht eben mit Artenvielfalt. (Bei unserer benachbarten habe ich unter 10 Blütenpflanzen pro qm gezählt – ohne Gräser). Unser Garten entstand vor über 40 Jahren auf so einer Wiese, inzwischen blüht es von Januar bis Dezember in großer Vielfalt. Wenn den Bauenden, egal ob Industrie oder Wohnhäuser, entsprechende Hilfestellung und Beratung geleistet würde, könnte aus Industriegelände und Wohnhäusern mit ihren Gärten sogar ein neues Paradies für Pflanzen und zugehörige Tiere werden.

Das war mal eine Mäh-Wiese

Zwei Extreme in der derselben Straße in Rodheim. Oben kürzlich neu angelegt, rechts: So dicht bewachsen, dass kaum noch Licht durch die Fenster fällt. Ein Mittelweg wäre gut. (Fotos Juni 2021)

Also bitte Auflagen beim Neubau, nicht nur für EU-geförderte Wandisolierung u.ä., sondern auch bei der Flächengestaltung, aber mit entsprechender Beratung. Den meisten Bauherren und -damen ist das Geld nach dem Hausbau knapp. (Wenn man die Schotterflächen sieht, offenbar nicht knapp genug).

Was mir gefallen würde: Gärten und öffentliche Freiflächen sollten als Verbund gesehen werden. Bei Reihenhäusern kann man von vornherein sagen, dass keine Zäune gezogen werden (kostet unnötig Beton und Geld), sondern Sträucher auf die Grenze gepflanzt werden, am besten Johannisbeeren oder Obstbäume in Buschformen, die von beiden Seiten beerntet werden können. Wo Kinder einziehen, braucht es was zu naschen, also den Boden mit Erdbeerpflanzen begrünen oder einen imposanten Rhabarber pflanzen.

Essbare Grenze:
Es gibt viel mehr Sorten
auch in schwarz, grün, rosa

Industriegebäude haben sehr oft ein Flachdach. Man kann eine Photovoltaikanlage (siehe Rewe und Aldi) gut mit einer Dachbegrünung kombinieren. Was spricht dagegen, die Wände mit Kletterpflanzen bewachsen zu lassen? 1 m über der Dachkante beendet der Efeu sein Wachstum ab einem gewissen Alter. Parkplätze in Einkaufszentren sind nötig. Bitte nie mehr ohne Bäume! Die Kunden danken es , wenn sie nach dem Einkauf nicht in ein aufgeheiztes Auto steigen müssen.

Liebe Gewerbetreibende! Betrachten Sie solche Auflagen nicht unter dem Kostenaspekt, sondern unter dem der Werbung. Wenn Ihr Unternehmen mit einer gelungenen Außengestaltung auffällt, zieht das Kunden und interessierte Bauwillige an. Bienenstöcke auf dem Flachdach, Nistmöglichkeiten für Mauersegler. Mit Wasserfläche kommen vielleicht sogar Enten. Für alle Mitarbeitenden bieten derart gestaltete Gebäude und Umfelder einen enormen Erholungsaspekt in den Pausen.

Über folgenden Link kann man mehr über Förderprogramme – auch zur Fassadenbegrünung – erfahren: Förderungsportal/Förderung Kommunen Sprechen Sie Ihre Gemeindevertreter/innen darauf an!

Fassadenbegrünung
Foto: Förderportal

Zum Schluss: Der Ukrainekrieg zeigt, dass auch die globale Versorgung keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Wer im Privatgarten einen Teil seiner Lebensmittel selber erzeugt, geht sparsamer damit um. Für Gewerbebetriebe wäre vielleicht der Waldgarten ein Thema.

Fotos: Eveline Renell (1-4); Beeren: Gärtnerei Manfred Hans ManfredhansShopsPflanzen_Beerensträucher
*) dreischürig heißt, dass die Wiese dreimal pro Jahr gemäht wird